Härteprüfung Brinell
Härteprüfung Brinell – Kalotten-Eindruck
Die industriell anwendbare Brinell-Härteprüfung geht auf den schwedischen Ingenieur Johan August Brinell zurück. Er entwickelte das nach ihm benannte Härteprüfverfahren und stellte es 1900 auf der Weltausstellung in Paris vor. Das Verfahren ist nach DIN EN ISO 6506-1 bis 6506-4 genormt. Das Verfahren nach Brinell eignet sich besonders für die nachfolgend aufgeführten Werkstoffe: Weiche und mittelharte Werkstoffe sowie für Werkstoffe mit inhomogenem oder porösem Gefüge (Lunker in Gusseisen). Die große Kugeloberfläche „überbrückt“ Fehlstellen und bildet so einen „mechanischen Mittelwert“. Im Gegensatz dazu könnte die kleine Spitze einer Vickers-Diamantpyramide in eine Pore eindringen – das Ergebnis würde grob verfälscht.
Moderne Härteprüfgeräte mit hochauflösenden Kameras zeigen das Grundproblem der optischen Messung: die große Materialverdrängung bei weichem Material. Je nach Beleuchtung (Ringlicht / Objektivlicht) und Ausprägung eines Kraterwulstes verschiebt sich die Dunkelgrenze. Dies zu beherrschen ist fast nur mit KI-basierter Software möglich.
Bei diesen Werkstoffen ist die Härteprüfung nach Brinell üblich:
- unlegiertes Gusseisen, niedriglegierter Stahl / Baustahl
- Aluminiumlegierungen, NE-Metalle: Messing, Kupfer …
- Sintermetall (nicht gesintert)
- Holz (ISO 3350)
- inhomogene Gefüge – hier versagen fast alle anderen Härteprüfverfahren
Video Animation Funktionsprinzip
Kurzbeschreibung der Härteprüfung Brinell
Bei dieser Härteprüfmethode wird eine Hartmetallkugel mit definierter Prüfkraft (F) auf eine Prüfstück-Oberfläche aufgedrückt und dringt (je nach Härte) unterschiedlich tief ein. Die resultierende Kugeleindruck-Kalotte wird in seinem Durchmesser optisch vermessen. Anhand der unten genannten Formel lässt sich der Härtewert HBW Härte Brinell Wolfram-Karbid (Kugel) errechnen.
Nach einer Belastungszeit von 10 bis 15 Sekunden (Stahl und Eisen) oder 10 bis 180 Sekunden (Nichteisen-Metalle und deren Legierungen) wird die Prüfkraft zurückgenommen. Die Einhaltung der Belastungszeit ist wichtig um dem Fließverhalten des Materials Rechnung zu tragen. Jedes Material besitzt ein Fließverhalten (weiche Materialien höher): Über die Zeit kann der Eindringkörper tiefer in das Material eindringen bis das der Eindring-Vorgang zum Stillstand gekommen ist bzw. das Material nicht weiter verdichtet wird.
Durch eine optische Vermessung des resultierenden Eindruck-Durchmesser im Werkstück wird die Oberfläche des Eindrucks bestimmt. Der zu bestimmende Durchmesser d wird aus dem Mittelwert zweier um 90 Grad verdrehter Messungen gebildet (d1+d2)/2. Bei nicht kreisförmigem Eindruck wird der zur Berechnung der Härte nötige Durchmesser aus dem größten d1 und kleinsten Durchmesser d2 gemittelt.
Früher wurde als Eindringkörper eine Stahlkugel verwendet (HBS – Härte Brinell Stahlkugel). Seit 2006 ist eine Hartmetallkugel (Wolfram-Karbid) vorgeschrieben (HBW Härte-Brinell-Wolfram-Karbid). Je nach Homogenität, Materialdicke und Härte kommen Kugeln mit unterschiedlichem Durchmesser zum Einsatz: Ø 10 | 5 | 2,5 | 2 | 1 | 0,625 mm. Welche Prüfmethode (Kombination des Kugeldurchmessers und der Prüfkraft) verwendet werden muss ergibt sich aus dem unterschiedlichen, erforderlichen Belastungsgrad (siehe Tabelle unten). So ist für Stahl ein Belastungsgrad von HB30 (Kraftverhältnis in Bezug auf die Kugeloberfläche – Formel F/D²) und für weichere NE-Metalle eine Belastungsgrad von HB10 / HB5 / HB2,5 / HB1 zu verwenden. Belastungsgrad HB10/3000: Kugeldurchmesser 10 x 10 = 100 x Belastungsgrad 30 = 3000 (kg).
Der Belastungsgrad errechnet sich aus der Kraft geteilt durch die Quadratzahl des Kugeldurchmessers (F / D²) und ermöglicht die richtige Wahl der Prüfbelastung bzw. Prüfmethode. Würde ein zu hoher Belastungsgrad (bezogen auf die Härte des Materials) gewählt so würde die Brinell-Kugel zu tief in das Material eingedrückt – eine Auswertung ist nicht mehr möglich bzw. falsch (es soll kein Loch „gestanzt“ werden sondern eine Kalotten-Eindruck erzeugt werden)
Zum Zeitpunkt der Entwicklung der Brinell Härteprüfung wurde die Prüfkraft noch in kg bzw. kp angegeben. Damit die ermittelten Härtewerte, Umwertungstabellen und Materialspezifikationen Gültigkeit behielten / behalten wurden die Prüfkräfte beibehalten – die Prüfmethoden behielten Ihre Bezeichnung die u. a. auf der Prüfkraft in kg (kgf) beruhen. Die in der Tabelle genannten Belastungskräfte (nach dem Schrägstrich) nennen die Prüfkräfte in kgf. Da die Umrechnung der Prüfkräfte in Newton ungerade Werte ergibt wird in dieser Tabelle auf die metrologisch korrekte Angabe in Newton verzichtet.
Besonderheiten der Härteprüfung Brinell
Die Messung von Brinell-Härteeindrücken ist im Vergleich zu den optischen Verfahren nach Vickers oder Knoop komplexer, da durch die relativ großen Kugeln eine große Materialverdrängung stattfindet. Dieser Effekt ist umso größer, je weicher der Werkstoff ist. Es entsteht ein kraterförmiger Rand, der je nach Beleuchtung und Kraterwulst den messbaren Eindruck-rand mehr oder weniger verkleinert / vergrößert. Dabei wandert die Hell-Dunkel-Grenze in den Krater hinein oder ist am Kraterrand erkennbar.
Eine erste deutliche Verbesserung konnte durch eine Änderung der Beleuchtungsart erreicht werden. Statt der üblichen Beleuchtung durch das Objektiv wird heute standardmäßig ein Ringlicht bzw. eine Mischung aus Ringlicht (Dunkelfeldbeleuchtung) mit etwas Objektivlicht verwendet.
Der Hersteller INNOVATEST ging noch einen Schritt weiter und integrierte bereits vor einigen Jahren eine KI – Künstliche Intelligenz (engl.: AI Artificial Intelligence) in die Brinell- Härteprüfmaschinen bzw. in die Prüfsoftware IMPRESSIONS. Dazu wurden tausende von Brinell-Prüfeindrücken gesammelt, von der Prüfsoftware erfasst und mit durch Bediener manuell gemessenen Kalotten-Eindrücken abgeglichen. Die Integration menschlicher Intelligenz in das KI-Modul dieser Software führt zu einer erhöhten Genauigkeit und entlastet den Werkstoffprüfer von der manuellen Korrektur der Messlinien. Unter anderem diese Entwicklung hat INNVOATEST zum Innovationsführer gemacht.
Normkonforme Angaben der Ergebnisse
Gemäß DIN EN ISO 6506-1 aus 03/2006 muss der Härtewert, dass Verfahren, der Durchmesser der Kugel und die Prüfkraft immer mit angegeben werden.
Beispiel: 246 HBW 10/3000
Dabei bedeutet:
246 = Härtewert
HBW = Härte Brinell mit Wolfram-Karbid Hartmetall-Kugel
10 = Kugeldurchmesser D in mm
3000 = Prüflast (Kraft F) in kg bzw. kgf
Bei einer Prüflastbeaufschlagung >15 s muss die Dauer der Belastung ebenfalls genannt werden.
Beispiel: 246HBW10/3000/60
Bei nicht oder gering legierten Stählen kann der Brinellhärte mit gewisser Toleranz in Zugfestigkeit (Rm in N/mm² bzw. MPa) umgewertet werden. Hierzu kann der Faktor Rm x3,5 verwendet werden.
Brinell-Normen:
- Europäisch & international: EN IS
- Amerikanisch: ASTM E10-08
Beispiel |
Belastungsgrad 30 |
HBW10/3000 |
Prüfkraft 3000 kp – Kugel-Ø 10 mm |
3000 / (10 x 10) |
3000 / 100 = 30 |
Belastungsgrad |
30 |
10 |
5 |
2,5 |
1,25 |
Kugel Ø 10 |
HBW 10/3000 |
HBW 10/1000 |
HBW 10/500 |
HBW 10/250 |
HBW 10/125 |
Kugel Ø 5 |
HBW 5/750 |
HBW 5/250 |
HBW 5/125 |
HBW 5/62,5 |
HBW 5/31,25 |
Kugel Ø 2,5 |
HBW 2,5/187,5 |
HBW 2,5/62,5 |
HBW 2,5/31,25 |
HBW 2,5/15,625 |
HBW 2,5/7,8125 |
Kugel Ø 1,25 |
HBW 1,25/46,875 |
HBW 1,25/15,625 |
HBW 1,25/7,813 |
HBW 1,25/3,906 |
HBW 1,25/1,953 |
Kugel Ø 1 |
HBW 1/30 |
HBW 1/10 |
HBW 1/5 |
HBW 1/2,5 |
HBW 1/1,25 |
Kugel Ø 0,625 |
HBW 0,625/11,72 |
HBW 0,625/3,906 |
HBW 0,625/1,953 |
HBW 0,625/0,977 |
HBW 0,625/0,488 |
Werkstoffe |
Stahl |
Al Aluminium > 55 HB |
Al Aluminium |
Al Aluminium |
Pb Blei |
Die Tabelle nennt nur die häufigsten Verfahren. Andere Verfahren sind möglich aber wegen der schlechten Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht üblich.
Optische Vermessung: Die Messung des Kugeleindruck-Durchmessers (Kugelkalotte) erfolgte früher mit einem Mikroskop mit geringer Vergrößerung (14- bis 100-fach – je nach Kugeldurchmesser und Prüfkraft). In Europa setzte sich Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts durch, dass eine in das Härteprüfgerät eingebaute Optik das Abbild der Kugelkalotte von hinten auf eine Mattscheibe projizierte. Der vergrößerte Eindruck konnte nun bequem auf der Mattscheibe (ähnlich einem Profilprojektor) vermessen werden.
Anfangs wurde dazu ein Lineal verwendet, das die Vergrößerung des verwendeten Objektivs berücksichtigte. Dieses spezielle Lineal hatte jedoch keine mm-Teilung: Wenn z. B. ein Objektiv mit 20-facher Vergrößerung montiert war, wurde die Skala des Lineals um diesen Wert geteilt. Bei einer Mattscheibendiagonale von z.B. 60 mm konnte man also direkt die wahre Größe von 3,0 mm ablesen. Um die Härte zu bestimmen, verwendete man den Mittelwert der wahren Diagonalen und konnte die Härte aus einer Tabelle ablesen, was schneller ging, als sie mit der unten gezeigten Formel zu berechnen.
Später wurden die Diagonalen mit einer recht teuren Elektronik gemessen und ein Messwert-Rechner zeigte dann den Messwert an.
Anfang der 90er Jahre entwickelte unsere Firma eine Lösung, bei der ein einfaches digitales Messgerät ähnlich einem Messschieber verwendet wurde (SHP150). Diese Erfindung wurde – da nicht patentfähig – von fast allen Mitbewerbern kopiert. Heute ist die Verwendung einer Videokamera mit automatischer Bildverarbeitung (Bildanalysesoftware) Stand der Technik.
Ursprünglich wurde die Prüfkraftaufbringung über einen Hebelarm und daran hängende Gewichte realisiert. Je nach erforderlicher Prüfkraft konnten Gewichte entfernt oder hinzugefügt werden.
Seltener wurden auch (ebenfalls veraltete) Systeme mit Blattfedern und Blattfederpaketen eingesetzt, die ausgewechselt werden mussten. In seltenen Fällen alterten die Federn – die Genauigkeit der Prüfkraftaufbringung war nicht mehr gegeben.
Auch wurden (insbesondere in den USA) Maschinen gebaut bei denen die Prüfkräfte hydraulisch aufgebracht wurden. Diese Maschinen besaßen jedoch in der Regel kein integriertes optisches Messsystem, sondern dienten ausschließlich der Kraftaufbringung. Die Messung musste extern mit einer tragbaren Mess-Lupe erfolgen.
Für Prüfstücke, die zu groß oder zu schwer sind, um sie auf dem Prüftisch (Amboss) der Härteprüfmaschine zu positionieren, werden auch heute noch tragbare Prüfzwingen ähnlich einer Schraubzwinge verwendet. Nach der Zustellung wird die Prüfkraft über eine Feder und Exzenter (kleine Prüfkräfte) oder über eine Handkurbel mit Getriebe (bis 3000 kgf Prüfkraft) aufgebracht. In diesem Fall muss der Bediener die Kraft an einem Zeigerinstrument beobachten und bei der gewünschten Prüfkraft anhalten. Für portable Prüfzwingen existiert auch ein System, bei dem die Prüfkraft hydraulisch über eine Handpumpe aufgebracht wird und ebenfalls über ein Zeigerinstrument beobachtet wird.
In der Schwerindustrie werden auch Protalsysteme oder Radialständer eingesetzt. Hier wird der zum Teil riesige, oft tonnenschwere Prüfling zunächst mit einem Kran abgelegt. Anschließend verfährt ein Portal oder schwenkt ein Radialarm mit dem angeflanschten Härteprüfgerät darüber.
Bei den heutigen stationären Härteprüfmaschinen (auch Portal- und Radialhärteprüfmaschinen) ist es Stand der Technik, dass eine Kraftmesszelle mit motorischer Zustellung in die Maschinen integriert ist. Die Gründe für den Einsatz dieser Technik sind
- Flexibilität – Härteprüfer von 1 Gramm bis 3000 kg in einer Maschine (mehrere Kraftaufnehmer)
- Geringere Herstellungskosten im Vergleich zu extremen Herstellungskosten von z.B. 50 Gewichten
- Fehlerminimierung -Elektroniken mit geschlossenem Regelkreis erkennen Kraftabweichungen und regeln die Kräfte aus
- Und nicht zuletzt der Bedienkomfort mit Revolverkopf (Werkzeugwechsler), mehreren Eindringkörpern und Objektiven – bis hin zum Härteprüfer – “Alleskönner“: Universal-Härteprüfmaschinen für Brinell, Vickers, Knoop und Rockwell und motorischem XY-Kreuztisch für mannlose Serienprüfungen.
Ein wenig Mathematik zur Berechnung der Härte Brinell: Die Brinell-Härte wird berechnet aus dem Verhältnis von Prüfkraft zu Eindruck-Oberfläche. Die Prüfkraft in Newton wird dividiert mit dem Wert 0,102 (Kehrwert von 9,81 = Faktor zur Umrechnung von Newton in kgf). Auf diese Weise entsprechen Messwerte der aktuellen Metrologie (für die allgemein eine Kraftangabe in Newton erforderlich ist) den Messwerten die mit der heute ungültigen metrologischen Einheit für Kraft (kg bzw. kgf) ermittelt wurden. Eine Umstellung auf gerade Werte Newton (Faktor 9,81) ist nicht sinnvoll das sonst alle vorhandenen Härteprüfmaschinen, Auswerte-Algorithmen, Messwerte, etc. umgestellt werden müssten.
Zur Berechnung der Brinell-Härte ist in u. g. Formel die Kraft F in N, der Kugeldurchmesser D in mm und der mittlere Eindruck-Durchmesser d in mm einzusetzen. Der Wert im Nenner ist das Ergebnis der Formel für die Oberflächenberechnung des erzeugten Kugeleindrucks (Kugelkalotte).